Halloween, wie es wirklich ist

Mittlerweile hat Halloween ja auch in Deutschland Einzug gehalten. Deswegen war ich sicher, dass ich mich mit dem Thema auskenne, als wir im ersten Herbst hier waren. Weit gefehlt!!!

Die meinen das ernst hier mit Halloween

‚All hallows eve‘, also die Nacht vor Allerheiligen, ist wie viele richtig gute Feste eine feine heidnische Tradition, um vor der dunklen Jahreszeit noch mal schnell alle übellaunigen Geister einzuschüchtern. Weil die Katholiken ebensolche Angsthasen sind wie die Heiden, haben sie alle diese netten Feste übernommen. Und die superkatholischen Iren haben das Ganze dann beim Auswandern mit nach Amerika genommen. Das Spektakel hat hier ungefähr den Stellenwert des rheinischen Karnevals, naja, fast. Jedenfalls ist es deutlich mehr als nur eine Nacht herumzuziehen, nach Süßigkeiten zu fragen und als Dankeschön Eier an Haustüren zu werfen. 

Monatelang dreht sich alles um die Frage, welches Kostüm es in diesem Jahr sein soll. Geht man als Gruppe oder Familie mit einem einheitlichen Kostüm? Schließt man sich Kostümbastelgruppen in der örtlichen öffentlichen Bücherei an? Besucht man einen der saisonal geöffneten Halloween-Supermärkte (Kostümläden wie bei uns die entsprechenden Karnevalsläden) oder eine Kostümbörse? Um sich dann nach den langen Monaten des Überlegens, Planens und Kaufens dann fünf Minuten vor dem Losgehen mit einem hysterischen Anfall anders zu entscheiden? Das kenne ich so gut von Karneval mit meinen Töchtern. „Ich will Prinzessin werden, Prinzessin…!!!!“ und in der letzten Sekunde müssen dann ganz schnell Knarren besorgt werden, weil doch lieber Cowgirl. Umpf.

Niedliche Deko für den Vorgarten gefällig? Die Halloween-Läden lassen keine Wünsche offen!

Es wird wochenlang gefeiert. Jedes Museum, jeder Zoo, jeder Vergnügungspark, jede Apfelplantage dekoriert und bietet dann Veranstaltungen, in denen nach Herzenslust erschreckt, gefeiert und genascht wird. In meinem Lieblingsmuseum, dem Greenfield Village in Dearborn, kann man bis spätabends durch das Freilichtmuseum spazieren, begleitet von unheimlichen Gestalten, und gestärkt von vielen Süßigkeiten, die aufwändig verkleidete Figuren verteilen. Der Weg wird den Besuchern von Tausenden handgeschnitzten und beleuchteten Kürbissen gewiesen. Es wird Theater gespielt, Geschichten erzählt, Feuer gespuckt, gezaubert und gesungen. Die zauberhafte Nacht endet dann im spektakulären Auftreten des Kopflosen Reiters aus der „Legende von Sleepy Hollow“, der im Dunkeln über ein Stoppelfeld galoppiert und so manchem kleineren Kind bleibende Schäden zugefügt hat. Jedenfalls wollte der kleine Sohn eines Bekannten danach NIE wieder ins Village. Ich kann nicht verleugnen, dass ich mir das auch beim zweiten Mal noch mit offenem Mund angeschaut habe.

Der Monat Oktober gipfelt dann in der Halloween-Nacht mit dem seit E.T. allseits bekanntem „Trick-or-Treating“.

Die großen Firmen werfen an diesem Tag ihre Mitarbeiter mit sanfter Gewalt aus den Büros. Ernsthaft, viele schließen gegen zwei Uhr, damit Väter und Mütter mit ihren Kindern feiern können.

Man trifft sich bei einer Familie zum Potluck, dh., alle bringen etwas zum Essen und Trinken mit. Verkleidete Erwachsene bekommen auch Erwachsenen-Getränke. Je nach Laune und Witterung kommt man im Wohnzimmer, der Auffahrt oder in der Garage zusammen. Idealerweise bei der Familie, die in der belebtesten, jüngsten und am dichtesten bebauten Nachbarschaft wohnt (s.u.). Wir werden mit Freunden in unserer Einfahrt vor einem Feuer sitzen und uns bei Suppe und (deutschem) Glühwein an den kleinen Gruselfiguren erfreuen, die sich ihre Süßigkeiten einsammeln.

Bei unserem alten Haus war das eher schwierig, weil die Häuser sehr weit auseinander lagen und die meisten Anwohner keine jüngeren Kinder mehr hatten. Deswegen haben wir uns in den vergangenen Jahren bei Freunden in Halloween-technisch besserer Wohnlage getroffen. 

Aber auch wer in der Innenstadt wohnt braucht nicht zu darben: Jedes Geschäft ist dekoriert und verteilt Süßes an die marodierenden Kindergrüppchen. Selbst die Öffentlichen lassen sich nicht lumpen:

Öffentliche Verkehrsmittel – öffentliche Süßigkeiten

Das Dekorieren der Häuser und das Verteilen der süßen Sachen machen viele Familien zur Chefsache. In den Siedlungen mit vielen Kindern fühlt man sich wie in einem Vergnügungspark: Nahezu alle Häuser sind super aufwändig und liebevoll dekoriert, Grabmale im Vorgarten, Lichtinstallationen, Riesenspinnen auf dem Dach, Skelette überall… allein das Spazieren durch diese Straßen ist ein Erlebnis.

Darüberhinaus gibt es Menschen, die mit Hingabe und viel Phantasie ihre Garagen in Gruselhäuser verwandeln, die man dann besuchen darf. Mit Flackerlicht, Dampf, Geräuschen und echten Menschen, die aus dem Nirgendwo auftauchen, muss man seinen Weg durch selbstgebaute Irrgärten suchen. Mit zwei kreischenden 7-Jährigen links und rechts ist das durchaus eine Herausforderung. Wenn man wieder herausfindet und noch genug Nerven hat, bekommt man eine Kelle Suppe, ein Getränk, und natürlich etwas Süßes.

Vor ein paar Jahren hatten tatsächlich wir die allerschaurigste Halloween-Vorgarten-Deko. Allerdings unfreiwillig. Nachts hatten die Kojoten ein Reh gerissen und einfach liegen gelassen – mit dem Inhalt nach außen, ächz. Das hatte sich bei den Geiern natürlich herumgesprochen, und schnell waren rund 35 große Gesellen im Baum versammelt, voller Vorfreude auf das Frühstück. Nachts kamen dann die Kojoten zur Mitternachtsparty, und am nächsten Morgen gab es noch mal Resteessen für die Geier, bevor ich dann mittags die übrig gebliebenen Knochen in einer handlichen Tüte entsorgen konnte. Schade um das arme Reh und die schöne Deko, aber es war auf jeden Fall eine einmalige Bio-Stunde für uns alle.

 

Nachdem sich alle im Basislager gestärkt haben, geht es dann mit Plastikkürbis-Eimerchen, Taschen oder Kopfkissenbezügen (gute Idee, oder?) zum Sammeln durch die Gemeinde. Das erinnert dann tatsächlich an E.T., allerdings ist es hier dann dunkel. Überall kleine Kindergruppen, die von Haus zu Haus ziehen, das ist klar. Aber eben vor den Häusern nicht selten Gruppen verwaister Eltern, die wie wir hier in Campingstühlen auf „Kundschaft“ warten und sich gemeinsam die Zeit vertreiben. Insgesamt eine unglaublich gesellige Atmosphäre. Wer an diesem Abend nicht da sein kann oder selbst mit den Kindern unterwegs ist, stellt Schüsseln mit Süßigkeiten zum Selbstbedienen auf, mit einem Schild „Boo“ oder „You’ve been booed!“. „Boo“ hat enorm viele Bedeutungen: Vor allem ist es ein Kosename für jemanden, den wir sehr mögen. Oder vergleichbar mit „buh“, wenn man jemanden erschreckt, was Gespenster gemeinhin tun. Natürlich auch für ausbuhen. Außerdem auch „Puh, das stinkt“. 
Und so wie wir es bisher erlebt haben, sind alle Kinder (oder die Eltern) ehrlich genug, nicht gleich die ganze Schüssel zu räubern, sondern sich jeweils nur eins zu nehmen. 

Trick or Treat!

In diesem speziellen Jahr lassen wir uns alles Mögliche einfallen. Denn eher fällt Weihnachten aus als Halloween. Da das ganze draußen passiert, kann man das wohl auch verantworten. ‚Einbahnstraßen‘ auf der Einfahrt, damit keine Staus vor den Haustüren entstehen, Tische oder Regenrinnen-Rutschen zum social-distanced Süßigkeiten-Verteilen, bis hin zu dem absolut genialen Plan einer Familie aus unserer Nachbarschaft:

Covid macht kreativ – von Nachbarn geteilt auf unserer Nachbarschafts-Facebookgruppe

Wir haben kleine Tütchen gepackt, damit die Kinder nicht Kopf an Kopf in einer Schüssel grabbeln müssen und nicht nur den Eifer, sondern auch Viren teilen.

Massenproduktion in Covid-Zeiten

Selbstverständlich wird auch in den Schule gefeiert. In unserer Grundschule steht wochenlang das Candy-Monster (eine liebevoll aufgemotzte Tonne) im Flur beim Eingang und futtert willig die gespendeten Süßigkeiten und kleinen Geschenke, die dann bei der Halloween-Feier an alle verteilt werden. 

Nimmersatt: Candy-Monster sammelt die gespendeten Süßigkeiten

Hier ist mir zum ersten Mal „Trunk or Treat“ begegnet. Das ist Trick-or-Treating in klein, man geht von Auto zu Auto statt von Haus zu Haus. Trunk bedeutet nämlich Kofferraum. Bei uns ist es so, dass Eltern ihre Autos schmücken und mit Süßigkeiten beladen auf unserer riesigen Schulwiese mit den Kofferräumen nach innen im Kreis parken.

In der Schule wird gefeiert, Suppe gegessen und es werden Spiele gespielt. Nacheinander dürfen die Kinder dann Klassenstufen-weise nach draußen zum Trunk or Treat. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass das dann der Höhepunkt des Festes ist. Geschenkte Süßigkeiten sind und bleiben irgendwie das Größte.

Ein aus meiner Sicht angenehmer Nebeneffekt ist, dass sich die Weihnachtssachen hier erst später ausbreiten. Bis Ende Oktober ist alles im Zeichen des Halloweens, Kürbisse und Strohballen eingeschlossen. Auch danach herrscht noch überwiegend Herbstzeit, bis dann am Thanksgiving-Wochenende der Startschuss für die schrillbunte Weihnachtszeit gegeben wird.

Apropos Kürbis: Das ist eigentlich einen eigenen Blogpost wert, denn es gibt kaum eine Landstraße, an der man nicht an Kürbisverkaufsständen vorbeikommt. Ich mag die dicken Dinger, und esse sie auch gerne, als Pie, Suppe, Pumpkin-Butter und, und, und…

Hier ist der Link zur Geschichte von Jack O’Lantern 

Love O’Lantern

und ein paar erbauliche Kürbis-Fotos:

Und wem dann die Kalorien-Kariesmacher-Massen einfach zu viel sind, der spendet dann bei der Candy Collection zumindest einen Teil Wohltätigkeitsorganisationen wie den Food Gatherers (vergleichbar den Tafeln in Deutschland) da kommt dann schon ein bisschen Thanksgiving-Stimmung auf.

Happy Halloween!

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