Carolyn Murphy

Darf ich vorstellen: Carolyn Murphy. Ich kenne Carolyn noch gar nicht so lange, wir waren im Juni 2022 zusammen in Jackson, Mississippi, beim Retreat der Gee’s Bend Quilterinnen. Die Zeit dort hat uns beide tief beeindruckt. Und mich hat der Quilt beeindruckt, an dem Carolyn gearbeitet hat, Du wirst gleich sehen, warum. Auf meine Frage, ob ich sie hier vorstellen darf, hat sie hat sofort zugesagt. Meinen Fragebogen hat sie mehr als Anregung genommen, deswegen sieht das ‚Darf ich vorstellen‘ heute mal etwas anders aus. Aber deswegen ist es kein bisschen weniger spannend.  

Ich bin Carolyn Murphy. Ich lebe und arbeite in Toronto, Canada, mit meinem Mann und meinem übergroßen Hund. Meine Söhne sind unter meiner Nähmaschine spielend aufgewachsen und die glücklichen Empfänger vieler Quilts, die ich über die Jahre hinweg genäht habe. Mittlerweile feuern sich mich aus Montreal und Calgary an.

Carolyn Murphy

Du kannst Carolyns Firma Studio Quilts über ihren Instagram-Account finden.

Lieblingsdinge

Mehr als alles andere liebe ich gute Parties. Ich liebe es, Parties zu geben oder zu Parties zu gehen. Tischgesellschaften, Überraschungsparties, Kostümparties, Weihnachtsparties, Mottoparties, Geburtstagsparties – ich liebe alle. Außerdem mag ich Bücher, Hunde, Gärten, Essen, Renovieren, Singen, Tanzen. Das ist auch alles gut. Aber meine Freunde wissen: wenn du nach jemandem suchst, der dir hilft, eine gute Party zu schmeißen – dann suchst du mich.

Was ich mache

Ich bin eine Textilkünstlerin. Ich schneide Sachen auseinander und nähe sie wieder zusammen. Ich mache Quilts.

Wie alles angefangen hat

1990 hat ein Artikel in einem Magazin über die großartigen modernen Quilts von Denyse Schmidt hat bei mir einen Nerv getroffen: Ich war total überwältigt! Ich habe mir ein Buch über Quilting aus der Bücherei ausgeliehen (ja, das was die Prä-YouTube, Prä-Instagram-Zeit). Damit habe ich mir selbst das Quilten beigebracht und lerne weiter mit jedem einzigen Quilt den ich mache. In den letzten 25 Jahren habe ich Dutzende und Dutzende (Hunderte?) Quilts gemacht, für Familie und Freunde, für meine Kinderkleidung-Firma ‚Baby Ben‘, und jetzt für mein jüngstes Unterfangen, ‚Studio Quilts‘, für das ich Aufträge von Kunden aus aller Welt ausführe.

Warum Quilts?

Quilts bringen Schönheit in unseren Alltag. Sie sind so praktisch wie eine Decke und so aufregend wie ein Gemälde: sie sind weich und warm und wunderschön anzusehen. Sie existieren an dem Punkt, an dem Notwendigkeit und Kunst aufeinandertreffen: ihnen wohnen Fürsorge und Trost inne UND der Nervenkitzel, den die Kunst mit sich bringt.

Blitzschlag – oder: Warum moderne Quilts?

Nachdem ich gesehen habe, was moderne Quilts sein können – denk an Gee’s Bend, Denyse Schmidt, Irene Roderick und Sherri Lynn Wood, Adam Pogue, Maria Shell, Jennifer Candon, Patti Coppock, Carolina Oneto … habe ich mich dieser intensiven Kunstform verschrieben, um zu experimentieren, zu lernen, meine kreativen Muskeln spielen zu lassen. Die Möglichkeiten sind endlos, der künstlerische Horizont erstreckt sich in alle Himmelsrichtungen, und die Inspiration, die diese Künstler bieten, ist berauschend.

Modernes Quilten, und besonders das moderne Improv-Quilting, ist für mich das genaue Gegenteil von dem, was die meisten Menschen unter Quilten verstehen. Es gibt keine Schnittmuster, keine Vorgaben, keine genauen Anleitungen. Wenn ich anfange, einen Improv-Quilt zu machen, habe ich vielleicht einen losen Plan, aber ich weiß, dass sich etwas und alles ändern kann, wenn ich beginne. Meistens benutze ich noch nicht mal ein Lineal.
Improvisation ist eigenwillig, ungezügelt, ein Versuch-und-Irrtum-Prozess, blindes Vertrauen – du weißt nie, was am Ende dabei herauskommt! Improv öffnet das Tor zu echter, kreativer Freiheit. Der Stoff wird zur Farbe und die Struktur des Quilts wird zur Leinwand.

Gemeinschaft

Bis zur Pandemie habe ich in totaler Quilt-Isolation gearbeitet – ich habe keiner Gilde angehört, hatte niemals einen Kurs besucht und habe ausschließlich durch Versuch und Irrtum gelernt. Ich habe so viele Fehler gemacht und mit blöden Kleinigkeiten gekämpft. Meine Bücher waren meine einzige Orientierung. Und trotzdem habe ich im Laufe der Zeit fast 100 Quilts entworfen und genäht, die ich verkauft oder verschenkt habe. Mit jedem habe ich etwas Neues gelernt.
Während der tiefen, dunklen und einsamen Tage der Covid 19 Pandemie (Toronto war die Lockdown-Hauptstadt Nordamerikas) habe ich angefangen, an Online-Workshops teilzunehmen.
Zum ersten Mal hatte ich Zugang zu der Quilting-Community. Ich habe Retreats entdeckt, Kurse, Gilden, Diskussionsgruppen, Messen – und plötzlich konnte ich vereinen, was ich am liebsten mag. Quilting UND unter Leuten sein! Ich habe peinlich lange dazu gebraucht, um das herauszufinden, wirklich. Jetzt gehe ich zu Retreats und Workshops, gehöre der Toronto Modern Quilt Guild an, besuche die QuiltCon und treffe mich mit einer Diskussionsgruppe (drei großartige und inspirierende Quilterinnen, die ich in einem Online-Workshop kennengelernt habe). Wir reden darüber, woran wir gerade arbeiten, welche Shows/Workshops/Veranstaltungen interessant sind, und – sind wir mal ehrlich – wir reden so ziemlich über alles.

Gelernte Lektion

Bei jedem Quilt erlebe ich diesen Moment, an dem ich den Quilt hasse. ECHTER HASS! Das ist eine Phase in meinem kreativen Prozess. Und dann ist es wieder vorbei.
Wenn ich also jemandem einen Quilt-Tipp geben sollte, würde es dieser sein: Entspann dich, bleib locker und mach dir keinen Stress. Versuch’s einfach weiter. Gib nicht auf. Verbohr dich nicht in deine Arbeit. Wenn du nicht sicher bist bei den Farben, mach dir keine Gedanken darüber! Probier’s aus! Wenn deine Arbeit nicht so aussieht, wie du es wolltest, reg dich nicht auf! Tritt einen Schritt zurück, mach eine Pause, und komm später mit einem klaren Kopf zurück. Es ist nur Stoff! Ich garantiere dir, wenn du einfach dran bleibst und den Quilt fertigmachst, wird alles gut.
Der Schaffensprozess ist eine mystische Sache – fast immer ist es am Schluss besser als du anfangs dachtest. Aber selbst wenn es dir immer noch nicht gefällt, nachdem es fertig ist, dann hast du trotzdem beim Machen etwas gelernt, zumindest das.

Inspiration

Ich finde meine Inspiration überall: Moderne Kunst und Architektur, Mode, Design, Reisen. Ein Weg aus Steinen, Boote in einem Hafen, Laub, Blumen, eine Türöffnung, eine alte Photographie: Das sind alles Anfangspunkte für mich. Sie setzen den kreativen Prozess in Gang, und bald danach bin ich schon beim Skizzieren und Schneiden und Nähen.

Kreative Blockade

Wenn ich mich mal schwer tue, in Schwung zu kommen, mache ich Skizzen. Skizzieren ist eine wunderbare Möglichkeit, die Kreativität anzuschubsen und ins Handeln zu kommen. Das ist etwas, das ich von Irene Roderick gelernt habe, eine wunderbare Improv-Künstlerin und Lehrerin – skizziere, krizzel, zeichne was immer dir in den Kopf kommt. Das ist unglaublich hilfreich. Ich schaue mir auch meine Quiltbücher an (Gee’s Bend – immer, Maria Shell, Sherri Lynn Wood, Irene Roderick), und meine Kunstbücher. Ich gehe in eine Kunstgalerie. Mache einen Spaziergang. Aber ich komme immer wieder zurück zu meinen Skizzen, und finde darin einen Ausgangspunkt.

Wo ich arbeite

Ich habe ein herrliches Atelier mit viel Licht und Platz und Zeit, um mich zu entfalten und um in meinem eigenen Tempo zu arbeiten: purer Luxus.
Hier findest Du sie: https://artscapeyoungplace.ca/

Woran ich gerade arbeite

Mein nächsten Improv-Projekt ist inspiriert von… Wäsche! Ich weiß, das ist nicht das, wo man normalerweise Inspiration vermutet, aber als mein Sohn mir ein paar Fotos von seiner jüngsten Reise nach Venedig schickte, auf denen Wäsche auf Leinen hängend zu sehen war, und als ich zusätzlich durch Zufall auf die Arbeit der amerikanischen Fotografin Sally Gall stieß, in der es um – du hast es erraten – Wäsche auf Leinen ging, begann ein Plan in meinem Kopf Form anzunehmen. Nach ein bisschen Arbeit in meinem Skizzenbuch fingen die Ideen an zu sprudeln. Und gerade setzen sie sich…

Außerdem: Aufträge! Ja, ich nehme Anfragen an. Wenn ich nicht an Aufträgen arbeite, findest du mich wahrscheinlich an meiner Designwand beim Planen meines nächsten Improv-Projekts, einer Ausstellung oder einer Show.

Du kannst mich und alles, was ich mache, auf Instagram finden.

Hier kommen ein paar Quilts, die ich im Verlauf des letzten Jahres gemacht habe:

Improv Quilt mit Freier Schneidetechnik
Hydra 3 – Harbour Town
66”x70”, Baumwolle

Improv Quilt mit Freier Schneidetechnik
I Need My Space
76”x87”, Baumwolle, Leinen

Und hier ist der Quilt, der in Jackson entstanden ist. Es war eine Auftragsarbeit, und mittlerweile ist er auf dem Weg zu seinem Empfänger in Paris:

Improv Quilt mit Freier Schneidetechnik
Come Together 
90”x100”, Baumwolle

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