Ich möchte hier unbedingt die vielen Museen, die sich gänzlich dem Thema Quilts verschrieben haben oder permanente bzw. wechselnde Ausstellungen zeigen, vorstellen. Und heute mache ich den Anfang mit einem ganz besonderen Schmuckstück, der „Quilters Hall of Fame“.
Es gibt hier über das ganze Land verteilt unzählige ‚Halls of Fame‘, vermutlich hat jedes Thema eine. Ich war schon mal in Cleveland in der Rock & Roll Hall of Fame, die hat es in sich und ist definitiv eine Reise wert. Aber für Quilts konnte ich mir das nur schwer vorstellen und muss immer noch bei der Nennung des Namens schmunzeln.
Eine Ruhmeshalle für Quilter also – es gibt sie wirklich. Das kleine Museum befindet sich in Marion im Bundesstaat Indiana. Marion erfreut sich doppelter Berühmtheit, denn hier wurde am 8. Februar 1931 James Dean geboren. Ob der jetzt aber unbedingt ein Faible für Quilts hatte, weiß ich nicht. Bestimmt, oder?
Das hatte Marie Webster auf jeden Fall, denn sie war eine einflussreiche Quiltdesignerin anfangs des 20. Jahrhunderts, zu ihr gleich mehr.
Die TQHF (= The Quilters Hall of Fame) wurde 1979 von Hazel Carter in Virginia gegründet, „um die Kunst des Quiltens zu feiern“. Jedes Jahr werden Menschen geehrt, die sich um das Quilten besonders hervorgetan haben, aktuelle QuilterInnen (2021 ist es zum Beispiel Marti Michell, die eins meiner Lieblingslineale entworfen hat) und historische Figuren – Namen aus dem Who-is-Who der Quilter, wie Gail van der Hoof, Barbara Brackmann, Nancy Crow, Jinny Beyer, Cuesta Benberry und, und, und. Eine dieser historischen Frauen ist Marie Webster, in deren Wohnhaus sich das Museum heute befindet.
Marie Daugherty Webster (19. Juli 1859 – 29. August 1956) hatte großen Einfluss in der großen Quilt-Revival-Welle zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1915 erschien ihr Bestseller „Quilts. Their Story and How to Make Them“, das erste amerikanische Buch, das sich ausschließlich der Geschichte des Quiltens widmete. Es wurde zu einer zentralen Quelle für Historiker und Quilter gleichermaßen und zigfach nachgedruckt. Noch heute ist eine neue Edition auf dem Markt, die ihre Enkelin Rosalind Webster Perry unter anderem mit neuen Bildern und einer Biographie über Marie Webster ergänzt hat.
Webster hat viele Quilts entworfen und gemacht, lange Zeit ausschließlich für ihre Familie. Florale Applikationen waren damals sehr innovativ. Ihre Schnittmuster verkauften sind bestens, nachdem im Januar 1911 vier ihrer Quilts mit applizierten Blumenmustern im „Ladies‘ Home Journal“ erschienen waren. Sie waren so beliebt und erfolgreich, dass in den nächsten drei Jahren 10 weitere Entwürfe folgten. Sie war über Nacht zum Quilt-Star geworden.
Außerdem war sie eine patente Geschäftsfrau, die die Gunst der Stunde genutzt und einen Versandhandel gegründet hat.
Das TQHF hat Teile ihrer Arbeitsstätte bewahrt: Von ihrem Haus aus operierte die „Practical Patchwork Company“ (1921-1942) und verkaufte die gedruckten Schnittmuster, Kits und auch fertige Quilts nach Marie Websters Entwürfen.
Bekannt war sie auch für ihr historisches Kleid aus grüner Seide, das sie bevorzugt bei ihren unzähligen Vorträgen trug.
Viele ihrer Quilts wurden und werden in Museen, Gallerien und reisenden Ausstellungen gezeigt. Das Kunstmuseum in Indianapolis beherbergt die größte Sammlung ihrer Quilts in den USA.
Wiederbegegnet bin ich Marie Webster bei den Quilts, die 1933 anlässlich des 100. Geburtstags der Weltausstellung in Chicago gemacht wurden. Die Kaufhauskette Sears hatte damals zu einem Quiltwettbewerb aufgerufen und 1200 Dollar Preisgeld für den ersten Platz ausgelobt (und zusätzliche 200 Dollar für selbstentworfene ‚Weltausstellungs‘-Designs). Zum Vergleich: das war mehr ein Jahreseinkommen, man hätte drei Ford-Autos dafür kaufen können. Obwohl jede Teilnehmerin nur jeweils einen Quilt einreichen durfte, waren es 25.000 Quilts! Und viele davon nach Mustern genäht, die bei Marie Webster in Marion bestellt worden waren.
Zu Beginn der 1990er Jahre hat der TQHF-Verein Websters Wohnhaus in Indiana erworben und damit begonnen, es zu renovieren und als Museum umzugestalten. 2004 wurde es dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Heute werden jährlich vier Ausstellungen gezeigt. Im Sommer, wenn die Preisträger des jeweiligen Jahres vorgestellt werden, gibt es ein Quilfest mit Workshops, Vorträgen und Ausstellungen.
Mit rund 1300 Besuchern jährlich (vor Covid) geht es beschaulich zu. Was den großen Vorteil hat, dass in der Regel mehr freiwillige Helferinnen als Besucher da sind (außer man kommt mit einer fünfköpfigen Familie, so wie wir). Die Museumsmitarbeiterinnen sind Quilterinnen – das bedeutet, sie wissen, wovon sie sprechen. Und sie sprechen sehr gern! Hier braucht man keine Führung zu buchen, die wird automatisch mitgeliefert. Und ein Ordner, herausgegeben von Merikay Waldvogel und Rosalind Webster Perry, mit den Vorstellungen aller PreisträgerInnen bis 2004 – geschenkt!
Das Museum hat damit begonnen, die Sammlung auch online zugänglich zu machen. Schau doch mal rein: Hier geht’s zur Online-Präsentation der Quilters Hall of Fame
Als ich 2019 in Marion war, wurden gerade zeitgenössische russische Quilts gezeigt. Absolut spannend. Es überwältigt mich immer wieder, aus wie vielen völlig unterschiedlichen Richtungen sich Individuen wie Völker(-gruppen) dem Thema Quilt nähern können.
In diesem Jahr gibt es gleich mehrere Anlässe, für die ich gerne wieder nach Marion fahren würde: Eine Ausstellung mit Werken von Hollis Chatelain von Mai bis Juli, danach wird Marti Michell gefeiert, und im Herbst kommt noch eine Ausstellung mit dem Titel ‚Taten statt Worte’ zu 100. Jahren Frauenwahlrecht…
Ich glaube, das gibt Stoff für weitere Posts.