Shipshewana Quiltfestival 2016

Ein aufregender Tag in Shipshewana, Indiana

Rund zwei Autostunden von uns liegt die Amish-Siedlung Shipshewana im Bundesstaat Indiana. Als wir im März zu einer Pferdeauktion dort waren, bin ich über die Flyer des Quiltfestivals gestolpert. Kurzentschlossen angemeldet, im Juni hingefahren.

Weil ich unter den ersten 1000 (!) Anmeldungen war, habe ich bei der Ankunft gleich ein nettes Willkommenstütchen bekommen, aus dem mich reichlich FatQuarter, Gutscheine, Garnrollen und der obligatorische Pin (mein allererster!) anstrahlten.

Da ich leider nur einen Tag hier verbringen konnte, hatte ich mich bei der Anmeldung entscheiden müssen, welche der Veranstaltungen für mich am interessantesten sein könnten: Es gab Vorträge, Workshops, Info-Verkaufs-Events, die Quiltschau, Verkaufsstände, das Schoolhouse und den Shop-Hop….

Schoolhouse kannte ich noch nicht: Den ganzen Tag lang kann man sich aus über 100 halbstündigen Intensivvorträgen (Wissen, Technik und Produktvorstellungen) bis zu neun Vorträge selbst zusammenstellen. Die LehrerInnen sind die gleichen, die auch die ganz großen Veranstaltungen machen, also ein gute Gelegenheit, die Quilt-Rockstars in kleinerem Rahmen zu erleben. War leider schon voll…

Die Stars des Festivals waren Marianne Fons (von Fons&Porter), aus Ann Arbor Sue Nickels (die eine Schwesternhälfte von Sue Nickels und Pat Holly), die Grand Dame Eleanor Burns (A quillt in a day), Edyta Sitar (Laundry Basket Quilts) und Dawn Cavanagh (begnadete Freihandquilterin von Rockin’ Bobbin Quilting, Inc).

Da ich mir vor allem einen Überblick verschaffen wollte, was so ein Quiltfestival überhaupt ist, bin ich nur zu den Vorträgen von Edyta Sitar („Scrappy Quilts“) und Sue Nickels („The Quilt Collaborations of Sue Nickels and Pat Holly“) gegangen. Am liebsten hätte ich noch Eleanor Burns erlebt, aber alle ihre Veranstaltungen waren schon restlos ausgebucht. So hatte ich genug Zeit, die Quiltschau zu bestaunen, zu bummeln, die Atmosphäre zu genießen und sogar noch sechs von sieben Shop-Hop-Läden zu besuchen.

Auf dem Weg zur Anmeldung bin ich an einer Flohmarkt-Scheune vorbeigekommen… Vintage-Stoffe, eine alte Nähmaschinen-Blechdose und ein traumhaft schöner, hölzernen Tischaufsatz von Coats mussten mit. Die Verkäuferin war ein echtes Original, wir haben noch gequatscht und sie hat den ganzen Tag auf meine tolle Kiste aufgepasst, während ich auf dem Festival unterwegs war. Als ich abends wieder kam, wurde ich mit großer Freude begrüßt, als wären wir alte Freunde [ich hatte morgens schon bezahlt, das war nicht der Grund :o)].

Zuerst war ich bei Edyta Sitars Vortrag über Scrappy Quilts (ist „Restequilt“ eine gute Übersetzung für Scrappy Quilts?) Das war wirklich ein Gewinn, sie hat viel Humor, einen ganz reizenden polnischen Akzent und ist sehr unterhaltsam, die Zeit verging viel zu schnell. Ihr Quilt-Hochhalter und Ehemann Michael war mit dabei und hat für eine Reihe guter Gags gesorgt. An ihre Einleitung muss ich oft denken. Sie sprach darüber, dass QuilterInnen vor allem Menschen sind, die teilen. Sie teilen bereitwillig Ideen, Zeit, Hilfe, natürlich Stoff. Seit sie mich darauf aufmerksam gemacht hat, fällt mir diese Eigenschaft an QuilterInnen immer wieder auf, Dir auch?

Edyta hat dann (mit freundlicher Unterstützung des Quilthaltermannes) viele ihrer eigenen und ihrer gesammelten (alten) Quilts gezeigt, um Beispiele für Restequilts zu geben. Es geht immer darum, die Restequilts nicht völlig wirr aussehen zu lassen, sondern eine Ordnung, oder Harmonie oder Zusammenhalt zu schaffen. Sie nutzt dafür gerne einfache Formen wie Quadrate und Dreiecke. Farben zu clustern hilft. Und auch, die bunten Reste-Bereiche mit neutralen Farben zu kombinieren, um damit einen gemeinsamen Nenner zu schaffen.

Eine ganz einfache Methode, Reste zu verarbeiten, ist das Schneiden und Zusammennähen von 1.5“-Streifen zu einer Fläche. Diese kann man dann quer zu den Streifen auseinander schneiden und z.B. versetzt wieder aneinander nähen … et voilà! Klingt wie eine Jelly-Roll-Race von Jenny Doan von der Missouri Star Quilt Company.

Als mein zweiter Vortrag folgte dann Sue Nickels. Sie kommt aus Ann Arbor und macht viel mit ihrer Schwester Pat Holly zusammen. Die beiden produzieren tolle Quilts, teilweise mit aberwitzigen Applikationen. Am besten gefällt mir der Beatles-Quilt (1998 als ‚Best of Show‘ von der American Quilter’s Society ausgezeichnet), der mit vielen Anspielungen auf die Beatles, ihr Leben und Lieder gespickt ist.

Sie quiltet alles mit ihrer normalen Nähmaschine, und das ganz schön gut. Befragt, ob sie denn den BSR-Fuß benutzt, musste sich die Bernina-Botschafterin ein bisschen winden. Aber jemand, der so viel und so lange (36 Jahre) quiltet, braucht ihn wohl einfach nicht.

Sie hat einen guten Quilthandschuhtrick, den man besonders hier im heißen Michigander Sommer wirklich gut gebrauchen kann: Sie hat die Finger von Küchenhandschuhen abgeschnitten, ungefähr in der Mitte, und zwar nur für Zeige- und Mittelfinger. Hab ich noch nicht ausprobiert, sieht aber sehr schlau aus.

Seit 2014 bieten die beiden auch Retreats an, insgesamt vier Wochen im September an einem kleinen See im Norden des unteren Michigan. Dieses Jahr wird es um zweifarbige Quilts gehen. Klingt toll, aber der Spaß kostet $ 500 – ohne Unterkunft, Verpflegung und Anreise.

Danach ging es dann zum ausgiebigen Bummeln und Staunen in die Quiltschau. Was ich Neuling da sehen durfte, war schon atemberaubend. U.N.G.L.A.U.B.L.I.C.H. Hier zeige ich Dir ein paar ziemlich wahllos geknipste Bilder, die diesen Kunstwerken nicht im mindesten gerecht werden (Fotografieren zu lernen steht ganz oben auf meiner TuDu-Liste, glaub mir).

On this Winter Day von Nancy Prince, Orlando, FL, gequiltet von Linda French

This is my Omigosh von Diane Malone, Troy, MI, gequiltet von Susan Boxell-Brown

Perseverance von Linda Neal, McKinney TX, gequiltet von Jackie Brown: 10.509 1/2“ Hexagons

Weather the Storm von Elizabeth Baumann, Lakewood OH

Sunshine and Shadow – Turquoise von Deborah Hyde, West Bloomfield MI

Consider the Lilies von Andra Raxwake, Meadowview VA

A Long Way From Home von Amy Pabst, Le Roy WV

October Sky von Bethanne Nehmest, Allentown PA

My Baltimore Journey von Darlene Donohue, Hilton Head SC, gequiltet von Ruth Quinn

OverJOYed von Flora Joy, Johnson City TN

Und mein persönlicher Liebling:

Silk Road Sampler von Melissa Sobotka, Richardson TX

Es tut mir wirklich Leid, dass ich so unglaublich schlechte Bilder gemacht habe. Ich war völlig überfordert und habe mit meinem Handy nur wird um mich geknipst… Nächstes Mal mache ich es besser, versprochen!

Die Atmosphäre in dem kleinen Örtchen war genial. Tausende Quiltfreaks, größtenteils weiblich und (weit) jenseits der 50, in völliger Harmonie. Alle hatten Spaß, redeten und lachten, waren irgendwie vertraut miteinander.

In den unterschiedlichen Läden (vor allem gleich in Shipshe Yoder’s Department Store (die heißen in Shipshewana alle Yoder mit Nachnamen) und The Cotton Corner) sowie in der Verkäuferhalle wurden alle möglichen neuen und neueste Werkzeuge, Produkte und Schnickschnack vorgestellt, die „Großen Namen“ haben Tipps und Tricks in Minivorstellungen verraten (und natürlich ihre neuesten Produkte an die Frau bringen wollen). Auf diese Weise konnte ich mir wenigstens Eleanor Burns aus der Nähe ansehen. Sie ist der Prototyp „ältere Amerikanerin“: Pastellbluse und -rock, Socken und Turnschuhe, ein echter Knaller. Und wieder der Beweis, wie von Herzen egal den meisten Amerikanern Äußerlichkeiten sind.

Hier habe ich dann lange Jean Ann Wright zugeguckt, wie sie mit den vor ihr entworfenen Linealen absolut genial Log Cabin, Stufen zum Gericht und Halbe Log Cabins gezaubert hat. Sie sagt, durch den Trick kann man idiotensicher perfekte Blocks schneiden, weil man die Lineale zum Trimmen benutzt, immer wieder gleich und somit ganz grade. Idiotensicher? Wer könnte das besser überprüfen als ich? Ich halte Dich auf dem Laufenden, ich habe die Lineale für 4“- und 6“-Blöcke mitnehmen müssen…

Und dann hatte ich tatsächlich noch genug Zeit, um für den Shop Hop über Land zu fahren, kreuz und quer durch die Gegend, immer vorbei an den vielen Kutschen der Amishen. In „Sara’s Attic“, einem reinen Amish-Laden, war es besonders spannend, heimlich den Verkäuferinnen zuzuhören, die ein sehr lustiges Gemisch aus altertümlichen Deutsch und Englisch sprechen. Leider kamen dann ganz viele Kundinnen gleichzeitig in den Laden, so dass ich keine Gelegenheit für einen kleinen Plausch gesehen habe.

Shop Hops sind hier Kult. Es schließen sich Quiltläden zusammen, werben gemeinsam und die KundInnen fahren an einem Tag, einem Wochenende oder auch in einem längeren Zeitraum möglichst viele von ihnen ab (teilweise mit Bussen!). Es gibt Trip-Planer im Internet, um die Shop Hops zu planen, Bundesstaat eingeben und los!

Hier bei mir war es so, dass man in jedem Laden eine Tüte mit einem Rezept (für Sugar Cream Pie, Comfort Macaroni and Cheese, Fresh Apple Cake, Oven Roasted Vegetables und Blueberry Cake, jetzt muss ich nur noch jemanden finden, der mir das kochen kann), einem Schnittmuster und zwei kleinen Stücken Stoff geschenkt bekam. Außerdem einen Stempel in seinen Laufzettel, den man im letzten seiner Läden abgeben und auf einen Gewinn hoffen konnte. Die beiden Stoffstückchen soll man eigentlich zu einem Block für einen Wohltätigkeitsquilt verarbeiten und zurückschicken, das muss ich noch tun!

Die Läden waren ganz unterschiedlich und ich fand es spannend, sie nacheinander zu besuchen. Als bei der Suche nach dem vorletzten Laden meine Navi-Freundin versagt hat, habe ich nach einem Blick auf das Kennzeichen die steinalte Fahrerin des mit Frauen vollgestopften Wagens angesprochen. „Fahr mir nach, Schätzchen!“ – und so habe ich auch diesen Laden gefunden.

Was für ein cooler Tag!

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