Darf ich Dir Martha Wolf vorstellen? Manchmal trifft man ja Menschen und weiß sofort (und je älter man wird, desto schneller geht das), dass man im Kontakt bleiben wird; und selbst wenn man sich so gut wie nie persönlich treffen kann, steht man sich irgendwie nahe. So ist das mit Martha. Sie wohnt in Texas, einem Staat, in dem ich (immer noch) nicht war. Wir haben es auch nicht geschafft, uns mal woanders zu treffen.
Und trotzdem – und da haben die sozialen Medien unser Leben wirklich nachhaltig bereichert – fühlt es sich an, als wäre Martha jederzeit erreichbar. So ist es auch wirklich, sie ist immer nur eine Email weit weg.
Kennengelernt habe ich Martha im September 2016 in Chicago. Sie ist eine weitere Freundin, die ich als Souvenir von dieser Konferenz damals (über die ich eines Tages auch hier berichten werde, bestimmt) mitnehmen konnte. Auf dieser Konferenz in Chicago kamen wir ins Gespräch, und sie sagte, dass sie deutsch spricht. Ich habe wie immer freundlich gelächelt, denn in der Regel bedeutet das, dass jemand ein paar Jahre Schuldeutsch hatte. Bei einer Sprache, die so schwer zu lernen ist wie die unsere, heißt das nicht so viel. Aber Martha spricht wirklich deutsch! Ihr Vater wurde in der Nähe von Zweibrücken geboren, und sein Job als amerikanischer Wissenschaftler hat sie nach Karlsruhe verschlagen, als Martha klein war. Sie hat also in Deutschland gelebt und ist sogar dort zur Schule gegangen. Sie besucht regelmäßig ihre Verwandtschaft väterlicherseits. 2019 hätten wir uns um ein Haar in Frankfurt getroffen, wir haben uns nur um Stunden verpasst.
In normalen Zeiten gibt sie Kurse, hält Vorträge und bietet Quiltservice auf ihrer Longarm-Maschine an.
Du kannst sie hier finden: www.pinwheelprodns.com und auf Instagram: @pinwheelprodnsquilts
WIE, WANN UND WARUM HAST DU ANGEFANGEN ZU QUILTEN ODER ZU NÄHEN?
Ich habe angefangen zu nähen, als ich vier war. Meine Schwester hat sogar schon mit zwei Jahren angefangen, weil sie still sitzen und eine Nadel halten konnte, aber mit zwei bin ich noch wie eine Wilde herumgerannt, deswegen hat meine Mutter abgewartet, bis ich vier war.
Mit acht habe ich dann schon meine eigenen Kleidungsstücke gemacht. Wir hatten nicht viel Geld, und damals war es wirklich noch viel günstiger, Kleidung selbst zu nähen statt sie neu zu kaufen. Meine Mutter konnte nicht für uns alle nähen, also haben meine Schwester und ich beide einen großen Teil unserer Kleidung selbst genäht. In der HighSchool habe ich dann meinen ersten Quilt gemacht, das hat mir gut gefallen. Den nächsten habe ich dann erst 1989 genäht, aber seitdem habe ich auch nicht mehr damit aufgehört.
Hier kommt die Preisfrage: Moderne, traditionelle, zeitgenössische, Kunstquilts: was begeistert Dich am meisten? Und warum?
Ich bin eher eine traditionelle Quilterin. Ich bin kein Fan von moderner Kunst, deswegen überrascht es mich nicht, dass mir die traditionellen Quiltmuster besser gefallen. Ich bin Ingenieurin, deswegen gefallen mir sich wiederholende Muster besser, die regelmäßiger sind als das meiste im modernen Quilting. Ich finde Ruhe und Frieden in sich immer wieder wiederholende Formen.
Lass uns mal persönlich werden: Wer ist Martha Wolf? Erzähle uns ein bisschen von Dir. Was sollten wir unbedingt von Dir wissen? Verrätst Du uns Deine Lieblingsmacke oder was Dich zum Wahnsinn treiben kann?
Tagsüber bin ich eine Netzwerk-Ingenieurin. Ich habe mehrere Abschlüsse in Ingenieurwissenschaften und hatte angefangen, meinen Doktor zu machen, habe aber das aber nicht abgeschlossen. In meiner restlichen Zeit quilte und stricke ich. In der Regel lass ich due Hausarbeit liegen, um zu handarbeiten. Aber je älter ich werde, desto besser bekomme ich auch meine Pflichten in den Griff.
Was machst Du, wenn Du gerade nicht quiltest? Wie sieht ein perfekter Martha-Tag aus?
Also, das sind zwei unterschiedliche Sachen. An einem perfekten Martha-Tag bin ich den ganzen Tag in meinem Studio, bis ich zu müde zum Denken bin, LOL. Wenn ich nicht quilte, bin ich erst arbeiten, und danach – ich lebe auf einer kleinen Farm – gibt es um’s Haus herum genug Arbeit und Sachen zu erledigen, da bin ich gut beschäftigt.
Ich nähe oder stricke jeden einzelnen Tag meines Lebens. An manchen Tagen ist es nur ein bisschen handnähen in meinem großen Sessel nach einem langen Arbeitstag, an anderen Tagen stehe ich um 6 Uhr morgens auf und bin ab 7:30 Uhr im Studio, um dort den gesamten Tag zu verbringen.
Zurück zum Quilten: Welchen Schritt des Quiltprozesses magst Du am liebsten?
Ich bin aus tiefsten Herzen Piecer. Ich quilte, um Dinge zu Ende zu bringen. Ich nähe das Binding an, damit sich ein Quilt in der Wäsche nicht aufribbelt. Ich hasse das Schneiden, aber ich liebe das Nähen. Ich ertrage das Schneiden einfach, um zu dem Punkt zu kommen, Sachen zusammen nähen zu können.
ZEIGST DU UNS DEINEN LIEBLINGSQUILT?
Mein Lieblingsquilt ist eigentlich nur ein Haufen großer Pinwheels. Eine Gruppe von Freundinnen hat 5-Inch-Quadrate getauscht. Ich habe aus ihnen 8 Inch große Pinwheel-Blöcke gemacht und alles zusammengenäht. Mir gefällt, dass ich in diesem Quilt die sekundären Muster sehe, weil keine Zwischenstreifen die Pinwheels trennen und ich mag es, dass ich meine Freundinnen in jedem Stück dieses Quilts sehen kann. Außerdem sind da ein paar Stoff-Stücke eingenäht, die im Dunkeln leuchten – ich muss jedesmal lachen, wenn ich das Licht ausmache und diese Stücke sehe.
Was machst Du, wenn Du einen kreativen Block hast?
Ich finde, der beste Weg, über einen Block zu kommen, ist einfach etwas zu machen. Ich gehe dann in mein Studio und fange einfach an, an irgendetwas zu nähen. Irgendwas. Wenn ich das tue, bekomme ich den Kopf frei und langsam kommen neue Ideen. Manchmal dauert das ein paar Stunden, manchmal Tage, aber irgendwann bin ich immer über die Blockade hinweg.
Verrätst Du uns Deinen coolsten Trick, beste Methode, Erkenntnisse – quiltbezogen oder nicht?
Ich glaube, meine bester Trick ist, dass ich immer 12 Unterfadenspulen zum Piecen gleichzeitig aufspule. Wenn dann eine leer ist, brauche ich nicht mit dem Nähen aufzuhören, um eine neue aufzuspulen, sondern kann einfach eine volle aus der Kiste neben der Maschine nehmen und gleich weiter nähen.
Bist Du Mitglied in einer Quilt-Gilde? Wenn ja, was würdest Du jemandem davon erzählen, der noch nicht mal weiß, was Gilden eigentlich sind?
Ich bin Mitglied in vier Gilden. Ich mag die Gesellschaft von Menschen mit einem ähnlichen Hobby aber völlig unterschiedlicher Herkunft. Es inspiriert mich immer sehr zu sehen, woran die anderen gerade arbeiten, und wenn ich irgendwo feststecke, kann ich schnell 15 oder 20 Meinungen dazu bekommen, wie ich mein Problem lösen kann. Das ist super hilfreich.
Jetzt habe ich eine Gruppe, die jeden Samstag über Zoom gemeinsam näht. Wir genießen es, Zeit miteinander zu verbringen, gemeinsam zu nähen, uns unsere Projekte zu zeigen und zu quatschen. Das ist einfach wunderbar.
Warum quiltest Du? Kannst Du den Zauber von Quilts erklären?
Ich bin eine verhinderte Künstlerin. Ich kann absolut nicht zeichnen, aber ich liebe Farbe. Beim Quilten kann ich mit einem Medium, das ich ganz gut beherrsche, mit Farbe gestalten. Die praktische Seite in mir findet es außerdem toll, dass ich Kunst schaffen kann, die auch noch einen Sinn in meinem Haus erfüllt und mich warm hält.
Ich dekoriere auch gerne mit Quilts, ich finde es toll, etwas, das ich gemacht habe, bei mir zuhause zu zeigen.